Die Übermittlung von Informationen in unserem Gesundheitswesen ist teilweise altmodisch und unpraktisch.
Arztberichte / Krankenhausberichte, meist in Papierform, werden per Post oder Fax versendet. Briefe digital geschrieben, werden analog versendet und beim Empfänger oft wieder digital eingescannt. Sicher Gründe, den Informationsfluss im Gesundheitswesen zu verbessern. Dies wäre auch ohne größere technische Probleme möglich. Berichte sensiblen Inhaltes z.B. könnten ohne viel Aufwand als verschlüsselte eMail direkt vom Absender zum Empfänger versendet werden, ohne in dem übertragenden Netz zu verbleiben.
In Deutschland wurde vor etwa 15 Jahren unter dem Stichwort „Qualität der Patientenversorgung“ eine folgenreiche Entscheidung getroffen:
Patientendaten – Diagnosen, Befunde, Berichte, Untersuchungsergebnisse, Medikationspläne – sollen auf Dauer in einem dafür extra angelegten Datennetzwerk bundesweit gespeichert werden können (=Telematikinfrastruktur). Begründet wurde dies damit, dass dann jederzeit auf die medizinischen Daten zu jeder beliebigen Tageszeit zugegriffen werden kann, unabhängig von Öffnungszeiten oder Anwesenheit der Absender und Empfänger. Darüber hinaus sollen die Daten allen Behandlern und auch unbeteiligten Dritten zu „Forschungszwecken“ zur Verfügung gestellt werden.
Diese Entscheidung hat allerdings jetzt gravierende Folgen, vor allem die technische Komplexität und die Sicherheit betreffend. Geplant ist die weltweit umfangreichste Datensammlung von persönlichen und intimen Informationen über ca. 87% der gesamten Bevölkerung (von den rund 83 Millionen Menschen in Deutschland waren Ende 2018 mehr als 73 Millionen in der GKV versichert). Kann das zuverlässig genug abgesichert werden?
Zudem entstehen Begehrlichkeiten, die nichts mehr mit der „Qualität der Patientenversorgung“ zu tun haben. Allein durch die Absicht, eine solche gigantische Datensammlung aufzubauen, erkennen Industrie, Datenhändler, Politik, Krankenkassen u.a. ihre Chance auf Profit.
Die Risiken bleiben, trotz aller Sicherheitsmaßnahmen. Denn hier geht es nicht um einfache Adress-, Telefon- oder Kreditkartendaten, sondern um die persönlichsten Informationen, die man sich vorstellen kann. Wenn Ihre Kredit- oder Bankkarte gestohlen wird, lassen Sie sie sperren und bekommen eine neue. Danach sind die gestohlenen Daten wertlos. Bei Gesundheitsdaten ist das völlig anders. Sie können sich keine andere Blutgruppe geben lassen oder Ihre chronischen Krankheiten gegen andere austauschen. Gesundheitsdaten bleiben in falschen Händen sehr lang bis lebenslänglich wertvoll und können großen Schaden anrichten.
Es kommt erschwerend hinzu, dass die Digitalisierung an den Betroffenen vorbei erfolgen soll. Die Frage in den Akzeptanzstudien: „Möchten Sie, dass alle Ärzte, denen Sie das erlauben, mit Ihrer Gesundheitskarte Ihre medizinischen Befunde einsehen können?“ ist unehrlich. Ehrlich wäre zu fragen: „Möchten Sie, dass in Zukunft ihre persönlichen medizinischen Daten nicht mehr in der Arzt-/Therapeutenpraxis, sondern dauerhaft in einem bundesweiten Datennetzwerk gespeichert werden?“. Genau darum geht es aber: eine Daten-Cloud auf Servern von damit beauftragten Firmen. Nachdem dort so ziemlich alles gespeichert werden soll, was Ihr Arzt von Ihnen weiß, also so etwas wie eine „Arztgeheimnis-Cloud“.
„So ist es nicht verwunderlich, dass neben den Krankenkassen auch Großfirmen aus den Bereichen Labor, Pharma, Banken, Versicherungen, IT-Unternehmen, Lebensmittelindustrie und Tourismus Interesse am Zugang zu diesen Daten haben. Die Verfügbarkeit von Daten über z.B. eine Schwangerschaft, Krebserkrankung, einen Unfall, Flugangst, Depression oder Altersbeschwerden, erlauben den Firmen eine entweder zielgruppengemäße oder individuell passgenaue Werbung für ihre Produkte bzw. Entwicklung solcher Produkte.“ (Dieter Adler (Hrsg.): Gesundheitsdaten online, Netzwerkverlag des dt. Psychotherapeuten Netzwerkes dpnw, 2019)
Darum geht es.
Zusammengestellt und ergänzt aus: Wilfried Deiß: Wartezimmerinfo [https://www.praxiswilfrieddeiss.de/app/download/5809446376/DeisssW_eGK_Telematik_eHealth_Stand_20170515.pdf]